Die Legende besagt, dass Warren Buffett und Charlie Munger (1) das Konzept des Kompetenzkreises erfunden haben. So genau weiss das niemand…. ganz sicher aber gehören sie zu dessen eifrigsten Verfechtern!
Der sogenannte Kompetenzkreis steht für ein einfaches Konzept: In den meisten Branchen der Berufswelt ist es wichtig, genau zu wissen, was man kann und beherrscht, und folglich auch, was man nicht kann und nicht beherrscht. Der springende Punkt dabei ist, möglichst genau zu erkennen, wo die Grenze dazwischen liegt. Stellen Sie sich dazu einen kleinen Kreis vor, der für Ihre Fähigkeiten steht, und einen grösseren Kreis darum herum, der das symbolisiert, was Sie nicht aus dem Stehgreif beherrschen. Entscheidend ist, wo genau der Rand des kleinen Kreises verläuft. Die inzwischen über 90-jährigen Erfinder des Konzepts wenden diese Regel bei Ihren Investments seit Jahrzehnten an: Sie investieren nur in Branchen, die sie verstehen und analysieren können. Das ist zweifellos die wichtigste Zutat ihres Erfolgsrezepts.
Wir alle beherrschen bewusst oder unbewusst in unserem Beruf vielfältige Kompetenzen. Wir fühlen uns am richtigen Ort, wenn wir innerhalb unseres Kompetenzkreises arbeiten, und etwas verunsichert, wenn wir diesen verlassen und unbekannten Boden betreten. Die Frage ist also – und wer stellt sich diese nicht regelmässig: Sollen wir innerhalb unserer vertrauten Grenzen bleiben, wo uns Anerkennung sicher ist, oder im Gegenteil versuchen, die Grenzen unseres Kreises auszuweiten, neue Kompetenzen zu erwerben und unseren (beruflichen) Marktwert (2) zu steigern?
Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Das Ideal, seinen Horizont stetig durch das Erlernen neuer Dinge zu erweitern, steht in Widerspruch zu einer Realität des Arbeitsmarktes: Spezialisten sind heute gefragter als Generalisten. Seine Kompetenzen zu erweitern statt zu vertiefen, ist nicht die richtige Strategie. Das Alter spielt im Übrigen keine Rolle, manche Menschen beginnen damit spät oder sogar sehr spät – zum Beispiel Warren Buffett, der heute auf einem Vermögen von rund 85 Milliarden Dollar sitzt und 82 Milliarden davon nach seinem 65. Geburtstag erwirtschaftete. Die zur Verfügung stehenden Mittel, der Zugang zu Ausbildungen, die benötigte Zeit oder die Opportunitätskosten sind ebenfalls nicht entscheidend. Denn man kann sein Wissensgebiet Schritt für Schritt kontinuierlich erweitern oder vertiefen und so diese magische Grenze verschieben.
Viel wichtiger scheinen das persönliche Temperament und die Einstellung zum Leben und zum Beruf zu sein. Wir alle bewundern, ohne ihn aber vielleicht zu beneiden, den Holzfäller, der das Fällen eines Baumes so gut beherrscht, dass er auf wenige Zentimeter genau vorhersieht, wohin der Baum fällt. Hier ist jemand, der weiss, was er tut. Vielleicht erfüllt ihn (neben der Freude an der Arbeit im Freien) seine Virtuosität genug und jeden Tag aufs Neue? Vielleicht versucht er, diese Fähigkeit immer wieder zu verbessern und ist stolz darauf? Andere werden immer das Bedürfnis haben, sich weiterzubilden, neues Wissen zu erschliessen, unabhängig davon, ob es sich für ihre «Beschäftigungsfähigkeit» auszahlt.
Letztlich führen viele Wege zur beruflichen Erfüllung. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, denjenigen einzuschlagen, der einem ganz persönlich entspricht.
(1) Die beiden (schon ziemlich betagten) Herren sind die Chefs von Berkshire Hathaway, einer Investmentgesellschaft mit beeindruckenden Renditen. Sie sind überzeugt, dass man nur in Unternehmen investieren sollte, die man versteht und deren Geschäftsmodell man nachvollziehen kann. Ihr Investmentansatz ist ebenso einfach wie effektiv. Der Retro-Auftritt ihrer Website macht diese zu einem Erlebnis für sich: https://www.berkshirehathaway.com/
(2) Verzeihen Sie mir diesen vereinfachenden, nüchternen Begriff.