Wir wiederholen es immer wieder, und nicht nur wir: Wenn wir eine Bewerbung prüfen, dann sind die persönliche Einstellung, das Verhalten und die Sozialkompetenz wichtigere Kriterien als die Fachkenntnisse[1]. Die Prüfung einer Bewerbung, zum Beispiel in Form eines Assessments, ist aufwändig und kostspielig. Ausserdem zeigt sich die Persönlichkeit erst mit der Zeit vollständig. Deshalb scheint es naheliegend, Personen einzustellen, die man seit Langem und sehr gut kennt. Am stärksten trifft dies natürlich auf die Mitglieder unserer engen oder erweiterten Familie zu. Ist es also eine gute Idee, den Bruder, die Schwester oder die Schwiegerfamilie zu beschäftigen? Die Versuchung ist gross, denn es besteht eine persönliche Vertrauensbeziehung, die Kommunikation scheint eingespielt und niemand zweifelt an der Loyalität.
Wir erleben es selten, aber doch immer wieder, dass bei Kunden in der Unternehmensführung gewisse Dysfunktionalitäten bestehen, wenn die Familienbande höher gewichtet werden als die Bedürfnisse der Firma. Am schwierigsten ist es, wenn man als Führungskraft einem Familienmitglied vorgesetzt ist. Gibt es in dieser Situation überhaupt noch Objektivität? Was soll man tun, wenn es nicht gut läuft?
Eine Firma ist effizienter, leistungsfähiger und vor allem glaubwürdiger, sowohl intern als auch gegen aussen, wenn sie aufgrund von fundierten Kompetenzen und Kenntnissen neue Teammitglieder einstellt und sich dabei an einen klar definierten Auswahlprozess hält. Der Grundsatz der Meritokratie und das Gerechtigkeitsgefühl sind zwei Katalysatoren, die ein vorbildliches Verhalten im Unternehmen fördern: Es gibt nichts Ungerechteres, als zwei Ungleiche gleich zu behandeln.
In einem Land, in dem das Rückgrat der Wirtschaftswelt aus KMU’s besteht, auch sehr kleinen, wäre es grundlegend falsch, lebendige Kräfte, die mit Einsatz und Leidenschaft zum Erfolg des Unternehmens beitragen können, auszuschliessen. Wer von den zweifellos vorhandenen Vorteilen einer Arbeit im Kreis der Familie profitieren und gleichzeitig professionell und objektiv bleiben will, fährt meistens gut, wenn gewisse Grundregeln beachtet werden:
- Die Kriterien für eine Anstellung, Beförderung und Kündigung sowie die Lohnstufen müssen für alle gleichermassen gelten.
- Die Kommunikation muss gegenüber allen internen Partnern gleichzeitig erfolgen und von gleicher Quantität und Qualität sein. Normalerweise sollten die Familienmitglieder, vor allem wenn sie Führungskräften untergeordnet sind, die nicht zur Familie gehören, keine Informationen vorab erhalten, etwa beim gemeinsamen Sonntagsessen.
- Die Governance muss unanfechtbar bleiben, und es darf nicht der leiseste Zweifel darüber aufkommen, dass Entscheide rein sachlich und objektiv gefällt werden: Alle arbeiten zum Wohl des Unternehmens, nicht umgekehrt. Zur Gewährleistung der Professionalität sollten auch unabhängige Mitglieder in den Verwaltungsrat berufen werden.
- Am wichtigsten scheint uns die Regel des guten Beispiels: Wenn sich die Familienangehörigen, in welcher Funktion oder Position auch immer, vorbildlich verhalten, dann steigt das Vertrauen ins Unternehmen. Fehlverhalten muss sanktioniert werden, und bei Familienmitgliedern besteht noch weniger Spielraum für Toleranz.
Es wäre falsch, sich etwas vorzumachen: Die emotionale Verbundenheit spielt bei der Dynamik eines Familienunternehmens immer eine Rolle. Mit einem geeigneten Rahmen und genügend Respekt aller Beteiligten kann man aber durchaus von den Vorteilen profitieren und das Arbeiten en famille geniessen.
[1] Natürlich nur, wenn ein gewisser Kenntnisstand vorhanden ist.