Artikel veröffentlicht am 30. Oktober in «24h» und am 1. November in «TdG»
Kürzlich wurde ich von LevelPlus eingeladen, einer Initiative des Kantons Genf, die sich für die Beschäftigung von Führungskräften über 50 einsetzt. Ich hatte das Vergnügen, an einer spannenden Diskussion über ein aktuelles und komplexes Thema teilzunehmen: die Rolle älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt.
Als Ökonom stütze ich meine Überlegungen gerne auf objektive Daten. Das passt besonders gut zu unserer Tätigkeit im Bereich der Suche nach Führungskräften (Executive Search) bei Ganci Partners: In den letzten 18 Monaten, von Januar 2024 bis Juni 2025, waren 47 % der von uns vermittelten Führungskräfte über 50 Jahre alt. Für unsere Kunden ist das Alter kein Auswahlkriterium – ausser wenn die Dauer der Zusammenarbeit zu kurz ist, um einen kompletten Zyklus von vier bis fünf Jahren zu ermöglichen, was oft nötig ist, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Dies ist beispielsweise bei einer Person der Fall, die kurz vor dem gesetzlichen Rentenalter steht.
A priori gibt es also weder auf der Mikroebene in unserem Tagesgeschäft noch auf der Makroebene Anzeichen für eine Verschlechterung. Im Juni 2025 lag die Arbeitslosenquote in der Schweiz bei 2,7 %, wobei für die über 50-Jährigen ähnliche Zahlen wie für die 15- bis 64-Jährigen zu verzeichnen waren.
Dieses Gesamtbild verschleiert jedoch die unterschiedlichen Realitäten in den einzelnen Branchen und Regionen. In Genf liegt die Arbeitslosenquote der über 50-Jährigen bei 3,8 %, und bestimmte Führungsprofile stehen weiterhin unter Druck. Führungspositionen in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Finanzen oder IT weisen Quoten von über 5 % auf. Diese Berufe fallen übrigens ab 2025 unter die Meldepflicht beim Office cantonal de l’emploi.
Hinter diesen Zahlen stecken wahrscheinlich ein paar hartnäckige Vorurteile: mangelnde Flexibilität, mangelnde Bereitschaft zur Weiterbildung, zu hohe Kosten, vermeintlich schwierige Integration in jüngere Teams, mangelndes Verständnis für die Trends der neuen Generationen, die die Konsumenten von morgen sind – ein wichtiger Punkt vor allem in Marketingberufen – oder ein als veraltet empfundener Führungsstil.
Die Realität sieht aber oft ganz anders aus. Erfahrung, Loyalität, strategischer Weitblick, ein solides Netzwerk, Krisenmanagement: ältere Führungskräfte bringen wichtige Vorteile für das Unternehmen mit. Anstatt sich auf vermeintliche Hindernisse oder Schwächen zu konzentrieren, sollte man lieber das schätzen, was sie einzigartig macht, und es als leistungsfördernden Faktor nutzen.
Nehmen wir das Beispiel Flexibilität. Es ist oft schwierig, einer 35-jährigen Führungskraft, die sich mitten in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung befindet, einen zeitlich begrenzten Auftrag von 6 bis 12 Monaten anzuvertrauen. Eine erfahrene Führungskraft hingegen sieht darin eine Chance. Und solche Profile sind oft leistungsfähiger in Umgebungen, in denen es darauf ankommt, schnell einsatzbereit zu sein, als in Positionen, in denen die Lernkurve die grösste Herausforderung darstellt. Nicht zu vergessen ist ihre Fähigkeit, jüngere Mitarbeitende durch ihre Erfahrung, den nötigen Abstand und ihren bisherigen Werdegang zu inspirieren.