Kürzlich erzählte uns ein Spitaldirektor von seinen (und unserer) Herausforderungen im Arbeitsmarkt. Ein grosses Problem, meinte er, sei die sinkende Arbeitgeberattraktivität der Gesundheitsbranche, da die Leute immer weniger dazu bereit sind, im Schichtbetrieb zu arbeiten.
Die Unternehmen in der Schweiz haben – und zwar unabhängig von der Branche, in der sie tätig sind – immer mehr Mühe die offenen Stellen zu besetzen. Früher sprach man vom Fachkräftemangel, heute können wir dieses Problem ganz einfach Personalmangel nennen.
Wie aber, ist es dazu gekommen? Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten 10 Jahren im Schnitt bei 1.6% p.a. Diese Zahl, würde man meinen, hätte gut mit der kontinuierlich steigenden Anzahl der Grenzgänger:innen sowie mit der Nettoeinwanderung von deutlich über 60’000 Personen pro Jahr aufgefangen werden können. Gleichzeitig hat aber die Teilzeitarbeit zugenommen: Während vor 20 Jahren noch rund 50 % der Arbeitstätigen ein Teilzeitpensum hatte, lag diese Zahl im Jahr 2021 bei knapp 60%. Gemäss einer Studie von Swisslife würden sogar 92% aller Schweizer Eltern mit reduziertem Pensum arbeiten wollen.
Wenn der Wohlstandspegel einer Gesellschaft ein bestimmtes Niveau erreicht, bei dem die Bedürfnisse der Menschen recht gut abgedeckt sind und die Erwerbstätigen mit ihren Einkommen mehr als gut über die Runden kommen, fangen sie damit an, ihre Arbeitspensen zu reduzieren. In einer Branche, in der es noch genügend Arbeitskräfte auf dem Markt hat, sinkt damit auch die Arbeitslosenquote.
Haben wir aber de facto eine Vollbeschäftigung (was heute in vielen Branchen in der Schweiz der Fall ist) haben sinkende Arbeitspensen zur Folge, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften grösser ist als das Angebot. Und wenn die Nachfrage grösser ist als das Angebot, steigen folglich die Preise. In unserem Fall die Löhne. Und dies setzt eine Spirale in Gang: (Noch) höhere Löhne führen dazu, dass die Menschen ihre Pensen weiter reduzieren, was zu einer noch grösseren Verknappung im Arbeitsmarkt führt.
Die Ausprägungen sind in jeder Branche unterschiedlich und so auch die Lösungsansätze. Während die einen Arbeitsprozesse ins Ausland verlegen, müssen andere die Dienstleistungen herunterfahren: So haben in der Schweiz z.B. aufgrund des Personalmangels mehrere Spitäler ihre Geburtenabteilungen schliessen müssen.
Viele erhoffen sich die Lösung in der Digitalisierung. Aber eben: Auch die IT-ler arbeiten heute gerne Teilzeit
- Veröffentlicht auf April 23, 2024
- Von Frank Gerritzen
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