Mittagessen mit Frau Nathalie Leschot – Personalleiterin der Stadt Biel

Im Café „Perroquet Vert“, rue Centrale 15, 2502 Biel.

Eine Tafel am Eingang des Restaurants, in dem wir mit Nathalie Leschot, der Leiterin der Personalabteilung der Stadt Biel, zu Mittag gegessen haben, gibt ein Zitat wieder, das Napoleon zugeschrieben wird: „Ich kann nicht ohne Champagner leben: Im Falle eines Sieges verdiene ich ihn, im Falle einer Niederlage brauche ich ihn“.
Von unserer Gesprächspartnerin geht die gleiche Lebenskraft und der Wunsch aus, das Leben in vollen Zügen zu geniessen, wie man es sich bei einem Napoleon vorstellen kann – ohne die imperialistischen Ansichten natürlich. Was Frau Leschot vielleicht mit dem berühmten Imperator gemeinsam hat, ist eine fast intuitive Kenntnis des Anderen, ein Wissen, das auf Neugierde und einem echten Interesse am Menschen basiert.

Als Einzelkind war Frau Leschot in der Vision ihrer Eltern und zu der damaligen Zeit mehr für ein Leben als Frau und Mutter als für das einer Berufstätigen bestimmt. Sie befolgte weise die Anweisungen der Familie und gab trotz sehr guter Fähigkeiten das Studium auf, um eine Ausbildung in der Bank zu absolvieren – den Job ihrer Eltern. Seither hat sich das Blatt gewendet. Nach ihrer Ausbildung hat sie sich in den für sie interessanten Bereichen ausgebildet: Zuerst in den Erziehungswissenschaften und im Anschluss erfolgreich bei mehreren Weiterbildungen. Im Frühling dieses Jahres schliesst sie ihren Executive MBA an der Berner Fachhochschule ab. So ist ihre berufliche Laufbahn seit 2003 durch Diplome und andere Zertifikate gekennzeichnet. Frau Leschot macht immer mehrere Dinge gleichzeitig: Sie hat eine Festanstellung und übernimmt nun ein Beratungsmandat von 10% als Ausbilderin und Beraterin. Was für eine Energie!

Ihre berufliche Laufbahn mag eklektisch erscheinen, aber man erkennt, und sie beschreibt es auch, einen roten Faden, der sie allmählich zu dem zurückbringt, was sie schon immer tun wollte und immer gut gemacht hat – und zwar die Zusammenarbeit mit Menschen. Darüber hinaus verfügt Frau Leschot über Fähigkeiten, die unsere angelsächsischen Freunde als hard und soft bezeichnen: Ausgehend von der Finanzausbildung bietet ihr „Schwenker“ zum Personalwesen eine Kombination aus seltenen Eigenschaften und Erfahrungen.

Frank Gerritzen: Frau Leschot, Sie sind in Biel als Kind französischsprachiger Eltern geboren, Ihr erster Freund war deutschsprachig, wie ist Ihr Verhältnis zu Deutschen, Deutschschweizern und anderen im Allgemeinen?

Nathalie Leschot: In meiner Kindheit, und es macht mir Unbehagen, dies zu sagen, sahen wir die Deutschschweizer als Ausländer, Menschen, mit denen wir uns nicht einlassen wollten. Es gab eine Stigmatisierung einer anderen Kultur als der unseren, die angesichts der aktuellen Diskussionen über die Einwanderung völlig lächerlich erscheint, aber so war es nun mal. Und dann hat mich das Fremde, das Andere, immer schon angezogen. Als Teenager hatte ich eine Deutschschweizer Brieffreundin (WhatsApp gab es noch nicht), ein Mädchen aus einer fünfköpfigen Familie, mit der ich nicht nur Briefe austauschte, sondern auch regelmässig Wochenenden verbrachte. Auf der einen Seite habe ich gelernt, in einer grossen Familie zu leben, auf der anderen Seite habe ich Deutsch und Schweizerdeutsch gelernt: Die erste Hürde war also schonmal genommen. Und dann war mein erster Freund auch noch aus Zürich – das nennt man dann wohl ‚sich mit dem Feind einlassen‘ (lacht).

FG: Sie haben von einer Tätigkeit in der Kundenbetreuung einer Bank in die Personalabteilung der Stadt Biel gewechselt, wie ist das möglich?

NL: Als Kind hatte ich zwei Bestrebungen: zu studieren und zu reisen. Die erste dieser Ambitionen konnte ich nicht in dem Alter, in dem andere studieren, erreichen. Mit einem kleinen Notgroschen in der Tasche nach einer Lehre bei der Berner Kantonalbank verbrachte ich ein Jahr damit, die Welt zu erkunden. Als ich zurückkam, erwartete mich ein warmer Stuhl im damaligen Schweizerischen Bankverein. Aber die Bankenwelt, die zu sehr auf „Geld und Finanzen“ ausgerichtet war, entsprach nicht dem, was ich mir für mein Leben vorgestellt hatte. Ich hatte für mich selbst entschieden, was meine wahren Interessen waren. Und es war die Arbeit mit Menschen. Dank meiner Erfahrung habe ich Positionen in sozialen Organisationen erhalten, weil meine Professionalität und mein finanzieller Hintergrund den Unternehmen einen Mehrwert brachten. Parallel dazu habe ich mich in Sozialarbeit, Personalwesen und Projektmanagement weitergebildet.

FG: Ihr Karriereweg ist auch durch Lehrzeiten geprägt, manchmal parallel zu Ihrer beruflichen Tätigkeit.

NL: Ich denke, dass sich jeder im Kontakt mit anderen entwickelt. Der Fortschritt meiner Schüler in jedem Bereich hat mir immer eine grosse Zufriedenheit gebracht. In der gleichen Logik sehe ich meine Rolle als Führungskraft: Ich bin diejenige, die den Rahmen setzt, es anderen ermöglicht voranzukommen und über ihre Grenzen hinauszugehen. Auf diese Weise kann ich sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Meine Erfahrung und Ausbildung im Bereich Change Management ist für mich hierbei besonders nützlich.

FG: Ich wage es jetzt einfach und stelle die Frage, die „aufregt“: Was macht eine Frau mit Ihrem Ehrgeiz und Ihrer Dynamik im Dienste des Staates?

NL: Damit habe ich schon gerechnet! Meine Antwort hat viele Facetten. Zum Beispiel hat der Staat mit seiner politischen Agenda einen wichtigen Einfluss auf die Gesellschaft. Ich mag es, Dinge zu verändern. Hier habe ich das Gefühl, dass ich, auch wenn die Projekte nicht im gewünschten Tempo vorankommen, den Fortschritt meiner Gemeinschaft beeinflusse, wenn auch nur auf der Ebene der Stadt Biel. Zu den grossen Projekten, an denen wir arbeiten, gehören neben einem spezifischen Konzept in Biel, das auf ein besseres Gleichgewicht zwischen Französisch und Deutsch ausgerichtet ist, wesentliche soziale Themen für unsere Mitbürger: Das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Bezahlung und Managementfunktionen, Flexibilität beim Mutter- bzw. Vaterschaftsurlaub, Modernisierung der Arbeitsbedingungen usw. So beteilige ich mich in meinem bescheidenen Masse an der Transformation und damit an der Entwicklung der Arbeitswelt. Und unsere mehr als begrenzten Ressourcen lassen keinen Raum für Selbstzufriedenheit, was bei besser ausgestatteten Organisationen der Fall sein kann.

FG: Gibt es noch unerfüllte Projekte in Ihrem Leben? Oder zurückgeschobene?

NL: Sicher, aber kein Bedauern…. Meine Persönlichkeit als Erbauerin hätte mich zu einer beruflichen Karriere wie der Architektur führen können, einem Beruf, der gleichzeitig auf kreative Wünsche reagiert hätte, die ich heute nicht so sehr ausbauen kann, wie ich es mir wünsche. Die Architektin hat die Besonderheit, dass sie das Projekt entwirft, ist aber im praktischen Teil stark von Spezialistenteams abhängig. Es ist eine schöne Metapher für die Rolle, in der ich mich in der Stadt sehe: ein Moderator, ein Katalysator und ein Anreiz für Veränderungen. Das verhindert jedoch nicht, dass man sich manchmal – ein wenig wie die Architektin – allein fühlt…

FG: Wir können dieses Interview nicht ohne ein Wort über Ihr Privatleben beenden…

NL: Es existiert! Ich bin ein Mensch, der sich für alle Aspekte meines Lebens einsetzt. Ich habe einen sechsjährigen Sohn und mein Arbeitgeber ist sehr sensibel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich bin zudem sehr glücklich, dass ich diese Agenda in der Stadt fördern kann!

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