Mit beiden Beinen auf dem Boden

Jedem sein Idol: Als Erfolgsfigur für Jungen sieht die Gesellschaft noch immer häufig den Profifussballer.  Während man in meiner Jugend «wie Beckham spielen» musste, dominieren heute Mbappé und CR7 den Bildschirm… an der Männerfront scheint sich wenig getan zu haben. Bei den Mädchen sieht es anders aus: Barbie musste fast überall in den Keller ziehen, und die  aktuellste Ausgabe aus diesem Jahr ist eine italienische Astronautin, was doch von einer gewissen Entwicklung zeugt – künftige Generationen dürften wohl kaum je wieder die wasserstoffblonde Barbie anhimmeln… Mädchen können sich heute von Figuren inspirieren lassen, die komplexer und emanzipierter sind. Eine davon ist Kamala Harris.

Ihr erstes Verdienst – und kein geringes – besteht darin, dass sie eine echte Person ist, die man sich als Vorbild nehmen kann. Heute, wo virtuelle Realität und Fake News mit der realen Welt so verwoben sind, dass sie manchmal die Oberhand gewinnen, ist eine Frau aus Fleisch und Blut und von solcher Statur nicht nichts. Gleichzeitig stark und empathisch, freundlich und zielstrebig, trennen sie Welten von der Powerfrau der 90er Jahre, die zwar nicht wie die männlichen Alpha-Tiere Anzug und Krawatte trug, sondern die weibliche Version mit Deux-Pièces und High Heels, die jedoch auf ihrem beruflichen Weg oft (vermeintlich) männliche Verhaltensweisen übernahm. Das soll kein Werturteil sein, denn tiefgreifende kulturelle Entwicklungen müssen ihr eigenes Tempo finden. Nein, Kamala Harris ist kein Karrieremann im Deux-Pièces, sondern eine Frau. Ihr wird nachgesagt, dass sie pragmatisch und authentisch sei: «She rolls up her sleeves and gets things done.» Diese Authentizität und ihre Fähigkeit, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, sind sicherlich Teil ihres Erfolgs: Sie handelt nach ihrer innersten Überzeugung und indem sie sich von Codes – auch von Dress Codes – befreit. Entsprechend hat Kamala Harris die Louboutin-Stilettos, die von 1998 bis 2004 in der Serie «Sex & The City» ihre Blütezeit hatten, ausrangiert: Indeed, die Vizepräsidentin trägt nie Absätze. Nein, sie geht in Converse-Turnschuhen von Meeting zu Meeting und an Konferenzen!

Nicht mehr als eine Anekdote, meinen Sie? Wohl nicht nur, denn zwar sollten Kleider nicht Leute machen, doch die Form (und die Formalität) wird – gerade in unserer von Bildern geprägten Gesellschaft – doch häufig höher gewichtet als der Inhalt.  Kleiderkonventionen sind ein Zeichen dafür, dass man diese Formalitäten akzeptiert. Allerdings müssen wir hier genauer definieren, was wir unter Formalitäten verstehen, denn es geht hier nicht darum, die «Regeln der Kunst» oder bestimmte «Muster» zu verurteilen – gerade im letzten Beitrag haben wir diese ja verteidigt. Denn im Recht zum Beispiel besteht das Formelle darin, dass rechtsgültige Handlungen auch das Einhalten gewisser Formalitäten bedingen, und in der Kunst hat das Signifikant (die Zeichenform) Vorrang vor dem Signifikat (dem Zeicheninhalt), und das Abstrakte vor dem Konkreten. In allen Fällen besteht eine Kluft zwischen Formalität und Realität. In unserem Beruf suchen wir oft «pragmatische Strategen», Führungspersönlichkeiten, die «down-to-earth» oder «bodenständig» sind. Kamala Harris ist eine von ihnen: Indem sie Absätze in den Keller verbannt, macht sie mehr als ein modisches Statement: Sie stellt den Bezug zur Realität wieder her. Diese Befreiung des Körpers steht für freies Handeln und einen freien Geist, der in der Realität verankert ist. Kamala Harris erinnert uns daran, dass Formalität nicht gleichzusetzen ist mit Professionalität. Also meine Damen, ziehen Sie Ihre Turnschuhe an … und meine Herren, vergessen Sie die Krawatte…?

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