Auch 2022 gab es erfreuliche Nachrichten, zum Beispiel diese: Die Zahl der Facebook-Nutzer ist erstmals seit Bestehen dieses sozialen Netzwerks zurückgegangen (wenn auch «nur» um eine halbe Million bei rund zwei Milliarden Nutzern). Wir hatten deshalb fest auf eine positive Veränderung gehofft, auf eine Neuausrichtung mit einer direkteren, relevanteren und persönlicheren Kommunikation. Die Realität war dann eher eine kalte Dusche: Zu unserer herben Enttäuschung wanderten die Betroffenen lediglich zu anderen sozialen Netzwerken ab, die gerade mehr im Trend liegen.
Eines sei vorausgeschickt: Wir sind nicht gegen neue Technologien, den Fortschritt oder modernere Kommunikationsmittel. Zweifellos erleichtern E-Mails und das Telefon unseren Alltag. Doch durch die sozialen Netzwerke versenden wir ungebetene Gratis-Informationen, ohne uns zu überlegen, ob sie für die Empfänger relevant sind. Wichtig ist nur, dass man gehört wird, dass man kommuniziert und Präsenz markiert. Doch interessieren sich andere wirklich für meine Informationen?
Glücklicherweise entwickelt sich die Netiquette positiv. Foodporn zum Beispiel (Fotos von Speisen, die man gerade im Restaurant serviert bekommt), bei dem unseren «Friends» (wirklich?) das Wasser im Mund zusammenlaufen soll, ist seltener geworden, ebenso wie das Re-Posting von Inhalten, die man bereits an anderen Orten gesehen hat.
Trotzdem sind wir immer noch allzu oft mit banalen und unpassenden Inhalten konfrontiert, beispielsweise mit Fotos von Festessen oder Berichten über die Skiferien… in einem beruflichen Netzwerk wie LinkedIn.
Weshalb tut man so etwas? Als Eigenwerbung? Oder einfach, damit man in den Augen anderer existiert? Und warum versuchen wir dann nicht, anders zu existieren und persönlicher zu kommunizieren, indem wir uns dem Gegenüber zuwenden und die Person in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und unserer Kommunikation stellen?
Erhalten wir zum Jahreswechsel lieber standardisierte, elektronisch versandte Grüsse oder eine handgeschriebene Karte, in der unser Geburtstag erwähnt wird? Eine Nachricht auf Englisch oder in unserer Muttersprache? Industriell hergestellte Schokolade zu Weihnachten oder eine Einladung zu einer Konferenz oder einer Schulung, die für unsere Arbeit relevant ist?
Wir leben in einer Welt, in der wir einzigartig sein können, weil wir fast unendliche Optionen haben, unser Velo, Telefon oder Sofa individuell zu gestalten. Weshalb sollten wir da nicht auch unsere Kommunikation personalisieren? Warum sollten wir uns mit Standardmeldungen in sozialen Netzwerken begnügen (und dabei berufliche und private Bereiche frisch-fröhlich vermischen, z. B. auf LinkedIn), wenn wir doch die authentische Note einer persönlichen, personalisierten Kommunikation geniessen könnten?
Statt an der Devise «Ich poste, also bin ich» orientieren wir uns lieber an der Praxis, anderen mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen.