E-Mails und eine Kultur des Vertrauens

Nach der Rückkehr aus den Ferien ist es jedes Mal das Gleiche: viele beschweren sich darüber, von hunderten E-Mails überschüttet zu werden. Die Vorstellung, dass man einen halben Tag damit verbringen wird, Ordnung in den Posteingang zu bringen, bevor dann der eigentliche Arbeitsalltag beginnt, kann eine enorme Stressquelle darstellen.

Einigen Studien zufolge werden auf der Welt täglich 269 Milliarden E-Mails verschickt und jeder Mitarbeiter erhält im Schnitt 130 (1). Selbst wenn wir also jeder E-Mail nur eine Minute Zeit widmen würden, müssten wir dennoch täglich zwei Stunden unserer Arbeitszeit investieren. Ziemlich entmutigend, oder?

Sobald wir uns mit der tatsächlichen Zweckdienlichkeit all der E-Mails, die wir erhalten, auseinandersetzen, müssen wir oft feststellen, dass meist nur ein kleiner Teil davon tatsächlich für uns bestimmt ist und einer Reaktion unsererseits bedarf. Bei dem Rest handelt es sich häufig um Nachrichten zur Information (die berühmten „FYI“), Gruppennachrichten („Mailing“) oder Werbung („Spam“).

Allerdings gibt es auch die sogenannten „CYA-E-Mails“ – Cover Your A… Sie dürfen selber raten, wofür der Rest des Akronyms steht. Hierbei handelt es sich um Nachrichten, die verschickt werden, um sich selbst vor jeglicher Kritik oder möglichen negativen Auswirkungen innerhalb des Unternehmens zu schützen. Die Existenz solcher CYA-E-Mails deutet auf eine Unternehmenskultur hin, der es an Wohlwollen, Teamgeist und Zusammenarbeit mangelt. Sie sind das Zeichen für ungesunde berufliche (oder private!) Beziehungen. Das beste Beispiel dafür ist der elektronische Schriftverkehr zwischen Kollegen, bei dem der Chef ins CC gesetzt wird.

Solche Nachrichten zeigen, dass die Mitarbeiter dazu tendieren, sich jeglicher Verantwortung entziehen zu wollen – Verantwortung, die sie in einer positiven und wohlwollenden Unternehmenskultur gerne übernehmen würden. Wäre der gute Wille, die Professionalität und der Wunsch, etwas gut zu machen in einem Unternehmen vorherrschend, so müsste man gar keine Angst davor haben, einen Fehler zu machen. Man spricht dabei von dem sogenannten „Empowerment“, also dem Gegenteil von CYA-E-Mails.

Das Aufkommen von CYA-E-Mails kann uns dabei helfen, die Situation in einem Unternehmen oder einer Beziehung einzuschätzen, um gegebenenfalls rechtzeitig einschreiten zu können. Werden also häufig derartige E-Mails verschickt, ist dies ein Zeichen dafür, dass es den Kollegen untereinander oder gegenüber dem Unternehmen an Vertrauen fehlt, beispielsweise ausgelöst durch die Angst, den Job zu verlieren.

Die Frage ist folglich, wie können wir das Problem im Ursprung beheben, ohne einen schriftlichen Nachweis vorzulegen? Ganz einfach: Indem man richtig miteinander kommuniziert und zusammenarbeitet, um Problemquellen auszumachen und Schwachstellen zu identifizieren, indem man darüber spricht, was schiefläuft und warum, und indem man gemeinsam Lösungen findet, damit ein solcher Vorfall nicht wieder auftritt. Ausserdem sollte man sich, anstatt das ganze Unternehmen ins CC zu setzen, einfach ein bisschen mehr Zeit nehmen: Der Lösungsprozess von Problemen würde viel schneller verlaufen, wenn man nicht endlose E-Mails lesen müsste, in denen unzählige Personen versuchen, ihre eigene Position vor dem Chef zu verteidigen.

Und ganz nebenbei wäre auch die Rückkehr aus dem Urlaub wesentlich angenehmer!

(1) Quelle: The Radicati Group

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