Am längeren Hebel

Das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden ist ein uraltes Thema. Als im 19. Jahrhundert die Lohnarbeit aufkam, veränderte sich dieses Verhältnis etwas zugunsten der Arbeitnehmenden, insbesondere dank Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträgen. Heute ist das Arbeitsrecht tendenziell zugunsten der Arbeitnehmenden ausgestaltet, im Sinne einer Unterstützung der schwächeren Partei. Die Gefahr eines unfairen Verhaltens ist auf der Seite der stärkeren Partei wesentlich grösser, ähnlich wie im Mietrecht zwischen Vermieter und Mieter, und die Parteien sind nicht gleich stark aufeinander angewiesen.

Wie ist die Situation aktuell? In unserer Epoche schwingt das Pendel munter von einer Seite zur anderen: Manchmal sind die Arbeitnehmenden am längeren Hebel, dann wieder die Arbeitgebenden. Wer gerade mehr Macht hat, ist in erster Linie von der Konjunkturlage – Boom oder Rezession – abhängig. Als Unternehmen, das Kandidatinnen und Kandidaten bei einem Stellenwechsel unterstützt, haben wir gesehen, dass es nie konstruktiv ist, wenn eine Seite ihre (vorübergehende) Position der Stärke missbraucht.

Bereits vor der Pandemie war der Arbeitsmarkt für Fachkräfte in der Schweiz angespannt – in so unterschiedlichen Branchen wie Gesundheitswesen, Bau, IT oder Projektmanagement. Nach einer unklaren Entwicklung in den ersten Monaten der Coronakrise und trotz weltweiter wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten seit Anfang Jahr ist der Arbeitsmarkt heute noch ausgetrockneter. Kaum eine Branche bleibt verschont. Verstärkt wird diese Entwicklung durch eine Welle gesellschaftlicher Trends wie Homeoffice, Teilzeitarbeit und die Suche nach der Work-Life-Balance.

Die Beschäftigungsquote und das Gegenstück, die Arbeitslosenquote, befinden sich auf einem historisch hohen bzw. niedrigen Niveau. Für die Arbeitnehmenden ist die Versuchung gross, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Im Fachjargon spricht man von einem candidate-led market * wenn es mehr offene Stellen als Arbeitssuchende gibt. Der Markt ist hart umkämpft, die Unternehmen setzen alles daran, Personen mit herausragenden Profilen zu finden und einzustellen.

Von unserem privilegierten Beobachtungsposten aus können wir klar feststellen, wie sich das Verhalten von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ändert und wie sich die Machtverhältnisse verschieben. Derzeit werden viel mehr Arbeitsangebote als gewöhnlich bei der Vertragsunterzeichnung abgelehnt.

Weshalb, ist klar: Arbeitgebende wollen Führungskräfte nicht verlieren, bessern nach und gehen auf die verlangten Bedingungen ein. Allzu oft funktioniert das. Allzu oft, denn ein gesundes Arbeitsverhältnis sollte nicht auf einer Kündigungsdrohung aufbauen, insbesondere nicht bei Führungspositionen. Die Vertragsbedingungen sind zudem wichtig, aber gemäss Studien nie der Hauptgrund dafür, ob jemand mit seiner Tätigkeit zufrieden ist. Als interessant wird diese vor allem aus subjektiveren Gründen wahrgenommen: Wenn die Stimmung im Team gut und die Arbeit vielfältig ist, wenn die Branche passt usw. Wie kann man nun ein langfristig gesundes Verhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden aufbauen und vermeiden, dass es auf Erpressung hinausläuft?

Wenn die Arbeitnehmenden den Bogen überspannen, vergessen sie, dass sich die Konjunktur ständig verändert – wie wir gesehen haben manchmal sehr schnell. Dann sind sie plötzlich nicht mehr am längeren Hebel. Das sollte man stets vor Augen haben. Denn die Arbeitgebenden werden dann die effizientesten, kompetentesten und loyalsten Mitarbeitenden zu belohnen wissen – jene, von denen sie nicht als Geisel genommen wurden.  

*Wörtlich: von den Kandidaten gesteuerter Markt

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